und ihre metaphysischen, kosmologischen und astrologischen Implikationen
Vortrag, gehalten am 30.Juli 2023 am ersten Symposion für Traditionelle Astrologie in Berlin
Die antike und mittelalterliche Astronomie nannte die jenseits des Saturn liegende Sphäre der Fixsterne die "achte Sphäre".
Die achte Sphäre ist nicht nur ein Konzept der antiken Astronomie, sondern auch Teil der philosophischen und religiösen Spekulationen, die zur Zeit der Entstehung der klassischen Astrologie, wie wir sie heute kennen, vorherrschend waren. In diesem Vortrag möchte ich einige der Implikationen dieses Konzepts und seine Bedeutung für das Verständnis des Zodiaks darlegen.
Ich werde damit auch zeigen, wie die alten kosmologischen und metaphysischen Systeme im Einklang mit unserem modernen Weltbild die siderische Natur des Zodiaks begründen.
Schöpfung und Vertreibung aus dem Paradies - Giovanni di Paolo 1445
Der gnostische Mythos
Der Begriff "Gnostizismus" bezieht sich auf eine religiöse Strömung, die sich in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung ausbreitete. Obwohl sie eng mit dem Christentum verbunden war, integrierte sie in vieler Hinsicht Vorstellungen persischen, ägyptischen und platonischen Ursprungs, und schuf dabei gleichzeitig einen Mythos und eine Weltanschauung von enormer Suggestivkraft. Trotz der Vielfalt der verschiedenen gnostischen Gruppen und Lehren lässt sich der gnostische Mythos wie folgt zusammenfassen:
Gott ist absolut transzendent und unerkennbar, vollkommenes, unbegrenztes, vollständiges, sich selbst genügendes Sein, jenseits jeglicher denkbarer Wesen, Gottheiten oder Ursachen. Dieses supratranszendente Wesen beabsichtigt aus reiner Freiheit, sich zu manifestieren und eine göttliche Sphäre, eine Projektion seiner selbst, zu begründen, mit der Er kommunizieren kann. Gott wohnt eine andere Seite inne, sein Bewusstsein, das auch Stille, Weisheit oder Geist genannt wird und als die weibliche Seite Gottes gilt. Von diesem Vater/Mutter geht ein dritter göttlicher Äon aus, der Sohn oder Intellekt (Nous). Ja nach System emanieren aus Gott auch weitere Äonen - vorzugsweise in Paaren oder "Syzygien" -, die das Pleroma, die Totalität oder göttliche Fülle, ausmachen. All dies geschieht "vor" oder außerhalb der Zeitlichkeit.
Obwohl sie die göttliche Reinheit und Vollkommenheit widerspiegeln, sind sich die Äonen anfangs ihrer selbst nicht voll bewusst. Eines von ihnen - Sophia oder Logos, wie es in den Systemen heißt - wünscht sich, "vor seiner Zeit" zur Erkenntnis des Einen zu gelangen. Dieses Verlangen wird zu einer Leidenschaft, die einen Fall, einen Fehltritt, eine Sünde hervorruft, welche Sophia außerhalb des Pleromas stellt. Um die Fülle des Pleromas zu bewahren, rettet Gott das gefallene Äon durch einen Erlöser und nimmt es wieder in das Pleroma auf. Allerdings kommt es hier zu einer Art Spaltung: Die Weisheit kehrt in das Pleroma zurück, aber durch ihr Vergehen hat sich eine niedere Weisheit abgesondert, die vom Pleroma getrennt oder verbannt bleibt.
In diesem Prozess geht eine grenzziehendes Äon aus Gott hervor, eine Erscheinungsform der Spaltung, die durch den Fehltritt der Sophia entstanden ist. In den meisten Systemen wird diese Grenze durch die Ogdoade verkörpert, die so genannt wird, weil sie - zumindest in ihrer diesseitigen Erscheinung - die achte Sphäre darstellt, die den Kosmos umschließt und in deren Zentrum bzw. in deren tiefsten Punkt die Erde, die Sphäre der vier Elemente, geformt wird.
In einem Text aus der Nag Hammadi Bibliothek mit dem Titel "Über den Ursprung der Welt" können wir kurz und bündig lesen:
“… Als die Natur der unsterblichen Wesen ihren Prozess des Heraustretens aus dem, der unendlich ist, beendet hatte, ergab es sich, dass ein Ebenbild aus Pistis hervorging; sie nennen es Sophia. Dieses Ebenbild erfuhr einen Willen und wurde zu einem dem Urlicht ähnlichen Wirken. Da manifestierte sich ihr Wille als ein Ebenbild des Himmels, das eine unvorstellbare Größe besaß. Es befindet sich in dem Zwischenraum zwischen den Unsterblichen und den Wesen, die nach ihnen kamen, in der Gestalt des Himmels. Es war wie ein Schleier, der die Menschheit von den höheren Wirklichkeiten trennte.” (Über den Ursprung der Welt 98, 11-23)
Das Ergebnis dieser Handlung der Sophia - ohne die Mitwirkung eines Partners und ohne den Willen des Vaters - ist der Demiurg, der in vielen gnostischen Schulen als ein unvollkommener Schatten ohne Wissen und daher als böse angesehen wird. Es ist dieser Demiurg, der das materielle und psychische Universum erschafft - die Weltseele - und insbesondere die sieben Archonten, die planetarischen Engelwesen, von denen er einer ist (assoziiert mit Saturn, der siebten Sphäre). Die Weisheit selbst versinkt in einem Zustand des Vergessens, der Lethargie und der Unwissenheit.
Staunend über das Bild des geistigen Urmenschen, das sich in den "unteren Wassern" widerspiegelt, erschaffen der Demiurg und seine Engel den Menschen in dem Versuch, jenen bereits im Pleroma existierenden göttlichen Menschen nachzuahmen. Auf Anraten seiner Mutter Sophia, die in ihrer Barmherzigkeit dieses Geschöpf mit dem geistigen Element ausstatten möchte, flößt ihm der Demiurg seinen Atem ein. Auf diese Weise überträgt er dem Menschen, ohne sich dessen bewusst zu sein, den göttlichen Geist, der als Sohn des Äons Sophia in ihm ruht. Der irdische Mensch empfängt einen Funken des Pneuma oder göttlichen Geistes, der nun im psychischen und körperlichen Menschen eingeschlossen ist.
Dies ist in groben Zügen der gnostische Mythos.
Der Gnostiker ist der Mensch, der sich, nachdem er sich seines göttlichen Ursprungs bewusst geworden ist, als Verbannter in einem Exil voller Leiden fühlt und den Ruf des Erlösers - Jesus Christus oder der Logos - empfängt, welcher in ihm die Erinnerung an seine ursprüngliche Heimat erweckt. Diese Erkenntnis oder Gnosis seiner wahren Identität und der illusorischen Vergeblichkeit dieser Welt bewirkt in ihm eine Rückkehr und sichert das Heil der Seele - oder vielmehr des Geistes - nach dem Tod.
Die Erschaffung des planetarischen Kosmos mit seinen sieben Archonten oder Fürsten sowie des psychischen und physischen Menschen zieht die Entstehung der Heimarmene oder des Schicksals nach sich, dem der Mensch unterworfen ist. In vielen gnostischen Systemen wird die Heimarmene als das Instrument verstanden, mit dem die kosmischen Fürsten die menschliche Seele unterjochen.
Bild: Rafael Gil Brand
Wie dem auch sei, erst durch die Erlösung - durch Gnosis oder durch göttliche Gnade - kann sich die menschliche Seele von den Mächten des Schicksals befreien, Zugang zum göttlichen Bewusstsein finden und ihre wahre geistige oder pneumatische Natur wiederherstellen.
Gerade hier zeigt sich deutlich ein Glaubenskern, den der Gnostizismus mit dem orthodoxen Christentum teilt: Christus kommt, um den Menschen von der Sünde zu erlösen - und damit auch von der Heimarmene.
Versteht man - wie die platonischen und hermetischen Schulen es taten - die von den Gestirnen verwaltete Heimarmene als Ausdruck und Folge der eigenen Handlungen - in der hinduistischen Terminologie würde man von Karma sprechen -, so bewirkt die Beendigung oder Auflösung dieses karmischen Geflechts die Befreiung der Seele, die von diesem Moment an nicht mehr zwangsläufig in der hiesigen Welt reinkarnieren muss.
Das ist ein Motiv, das allen großen Religionen gemeinsam ist: Das Ziel ist die Erlösung, Befreiung oder Transmutation der Seele, entweder durch den Glauben an eine Erlösungstat durch göttliche Gnade - wie im Christentum und in der Gnosis - oder durch das Bewusstwerden der eigenen Identität mit dem göttlichen Geist - ein wiederkehrendes Thema vor allem in der hinduistischen Upanishad, aber auch zentral im Gnostizismus - oder durch die Kultivierung eines tugendhaften Lebens - der bevorzugte Weg der platonischen oder stoischen Philosophen. Die drei Wege - Glaube, Gnosis und Tugend - ergänzen einander und sind Bestandteil aller spirituellen Lehren, vom jüdisch-christlichen Monotheismus bis zum Hinduismus und den anderen so genannten polytheistischen Religionen. Göttliche Gnade und göttliche Vorsehung bewirken einen Ruf oder ein Erwachen des Bewusstseins - sei es durch einen Gesandten oder Avatar oder durch eine prophetische Vision -, und dieses Erwachen des Bewusstseins verschafft Zugang zur Erkenntnis der wahren menschlichen Natur und der Gründe des Leidens, während die Nachahmung des Einen, Wahren, Guten und Schönen letztlich gleichbedeutend ist mit einem tugendhaften Leben.
Die hermetische Betrachtung
Im Poimandres, dem ersten Traktat des Corpus Hermeticum, berichtet der Autor, bei dem es sich mutmaßlich um Hermes handelt, von einer Vision des Poimandres ("Hirte der Menschen"), der Personifikation des "Intellekts (Nous) der höchsten Macht", der ihm das Wissen über die Erschaffung der Welt und die Entstehung und Erlösung des Menschen übermittelt.
In diesem hermetischen Text erscheint der Demiurg nicht als eine böse Macht. Vielmehr heißt es dort, in Übereinstimmung mit den neuplatonischen Lehren:
"Aber Gott, Nous, der hermaphroditisch ist, Leben und Licht zugleich, zeugte durch das Wort einen anderen demiurgischen Nous (nous demiourgos), den Gott des Feuers und des Lebensatems, und der die sieben Fürsten schuf, die in Kreisen die sinnlich wahrnehmbare Welt umschließen und deren Regierung Heimarmene (Schicksalszwang) genannt wird." (Corpus hermeticum, Traktat I, 2,9)
Nachdem beseelte Wesen geschaffen wurden,
"zeugte der Allvater Geist, der da Leben und Licht ist, den Menschen sich selbst gleich. Ihn liebte er als sein eigenes Kind ... und übergab ihm die ganze Schöpfung." (CH I, 2,12)
Dann beobachtet dieser Gottessohn die Schöpfung des Demiurgen und Gott gewährt ihm den Wunsch, seinerseits zu erschaffen.
Der Mensch betritt die demiurgische Sphäre, "und die Fürsten liebten ihn so sehr, dass jeder ihm Anteil gab an seiner eigenen Ausstattung".(CH I, 2,13). Diese Passage kann als ein Abstieg durch die Sphären und gleichzeitig als eine Identifikation mit den planetarischen Mächten verstanden werden. Es folgt dann das, was wir in der biblischen Terminologie als Sündenfall bezeichnen können:
"Der Mensch ... beugte sich nieder durch die Harmonie (der Kreise), indem er die Wölbung durchbrach, und zeigte so der in der Tiefe geführten Natur seine wunderschöne göttliche Gestalt....
Der herrlichen Gestalt - des Menschen - Spiegelbild sah sie im Wasser, sein Schattenbild auf der Erde. Auch er selbst, da er sein Ebenbild im Wasser erblickte, liebte es und wollte dort wohnen.
Sofort wurde sein Wunsch wirklich und er nahm Wohnung in der vernunftlosen Gestalt. Und die Natur empfing den Geliebten, hüllte ihn ganz ein und sie waren vereint, denn sie hatten sich verliebt.
Infolgedessen ist... allein der Mensch zweifach: sterblich durch den Körper, unsterblich durch den wesentlhaften Menschen. Denn unsterblich und aller Dinge mächtig, duldet er sterbliches Los, der Heimarmene unterworfen. Über der Harmonie stehend, ward er Knecht in der Harmonie." (CH I, 2,14-15)
Durch diesen "Fehltritt" also, sein Ebenbild auf der physischen Ebene zu lieben, verirrt sich der Mensch in die Dunkelheit der Materie.
In einem anderen hermetischen Text, dem Kóre Kósmou (Auszüge aus Stobeus XXIII), finden wir eine Identifizierung des kosmischen Menschen mit der Tierkreis-Sphäre. In diesem Text belehrt Isis den Horus, dass Gott die Seelen aus einer erhabenen Substanz geschaffen hat, und Er "ordnete sie fein säuberlich in Abteilungen und Kammern hoch oben in der himmlischen Natur an, um den Zylinder in einer bestimmten Ordnung und nach einem sinnvollen Plan rotieren zu lassen". (SH XXIII, 3,16). Diese Kammern spielen auf das an, was später beschrieben wird: dass nämlich Gott eine weitere Substanz aus Wasser und Erde erschafft, ihr den Lebensatem einhaucht und aus einem Schaum, der auf der Oberfläche schwimmt, die Tierkreiszeichen formt. Er gibt den Seelen den Rückstand dieser Mischung und lädt sie ein, diesen Rückstand zu nehmen und etwas zu formen, das ihrer eigenen Natur ähnlich ist.
"Ich werde euch" - heißt es weiter - "diese Modelle zur Verfügung stellen. Und sofort nahm er die Mischung und arrangierte genau und schön die Ordnung des Tierkreises, indem er sie mit den psychischen Bewegungen in Einklang brachte und nacheinander die anthropomorphen Zeichen des Tierkreises mit denen der Tiere anordnete, denen er aktive Gewalten und einen Atem verlieh, der zu jeder Kunst fähig ist, Erzeuger aller universellen Ereignisse, die für immer geschehen werden".(SH XXIII, 3,19-20).
Hier erscheint der Tierkreis als eine erhabene Sphäre, welche die Urbilder all dessen enthält, was im Laufe der Zeit Gestalt annehmen wird. Wir können es so verstehen, dass die planetarischen Mächte die Herren der Zeit darstellen, die gemäß ihren Bewegungen das verwirklichen, was in der zodiakalen Sphäre vorgezeichnet ist. In gewisser Weise ist es dieser Prozess, den wir in der astrologischen Deutung zum Ausdruck bringen, wenn wir sagen, dass der Herrscher eines Zeichens (eines Hauses) für die Verwirklichung oder Aktualisierung dessen zuständig ist, was von diesem Haus verheißen wird. Ich möchte hier aber vor allem auf die Tatsache aufmerksam machen, dass die Seelen in ihrem Ursprung in jenen "Abteilungen und Kammern" angeordnet sind, die die Tierkreis-Sphäre ausmachen, und dort ihren Sitz haben.
Der Bericht von Isis im Kóre Kósmou fährt fort mit der Erschaffung der Lebewesen durch die Seelen, gefolgt von einer Übertretung - "sie verließen ihre eigenen Abteilungen und Kammern".
Infolgedessen hat Gott - der Demiurg der Gnostiker - "beschlossen, den menschlichen Organismus zu gestalten, sodass die Gattung der Seelen in ihm ewig Strafe erleiden würde." (SH XXIII, 3, 24-25).
In dieser Darstellung erscheint der Kosmos nicht als etwas an sich Böses, sondern spiegelt im Gegenteil die göttliche Vollkommenheit wider. Der "Fall" des Menschen ist jedoch auf das luziferische Element zurückzuführen, das ihn dazu verleitet, entgegen seiner ursprünglichen Natur zu handeln. Es folgt eine Notwendigkeit, ein fatales Gesetz, wodurch die menschliche Seele in einem physischen Körper gefangen wird. Die planetarischen Mächte sind nicht an sich Instrumente der Bestrafung, aber für den Menschen in seinem körperlichen, irrenden Zustand, verbannt aus der Gemeinschaft mit den Göttern und der Weisheit beraubt, wird ihre Verwaltung - die Heimarmene - als Strafe und Bedrängnis empfunden.
Im Traktat X des Corpus Hermeticum ist die Rede davon, dass die Seele, sobald sie ins Körperliche hineingezogen wird, vom Vergessen bewohnt wird und nicht am Schönen und Guten teilhaben kann, da das Vergessen der Ursprung des Bösen ist. Die gerechte, würdige und tugendhafte Seele wird jedoch, wie schon Platon im Timaios lehrt, aufgrund der Liebe, die zusammen mit der Notwendigkeit auch über sie herrscht, in den Himmel zurückkehren. Andernfalls wird sie in aufeinanderfolgenden Zyklen irdischer Existenz umherwandern.
Tatsächlich wird der Wandel - verwaltet durch die planetarischen Zyklen - als ein göttliches Instrument der Läuterung betrachtet: "...Gott ist nicht für das Böse verantwortlich. Vielmehr ist es die Fortdauer dessen, was gezeugt wird, die es gedeihen lässt, und deshalb hat Gott den Wandel geschaffen, um die Generation zu reinigen" (CH XIV, 7). An dieser Stelle weisen einige hermetische Texte ausdrücklich die gnostische Lehre von einem völlig jenseitigen Gott zurück, der nicht in der Lage ist, das Universum direkt zu erschaffen und zu regieren.
Nach der hermetischen Lehre ist die Heimarmene die Folge einer irrigen Wahl: "Wir haben die Möglichkeit zu wählen: es liegt in unserer Macht, das Bessere und auch das Schlechtere zu wählen, (allerdings) nicht absichtlich, denn die Wahl, die das Schlechte betrifft, bindet uns an die leibliche Natur, und so beherrscht das Schicksal den, der sie wählt" (SH XVIII, 3). Daraus folgt, dass der Mensch durch Tugend und die Wahl des Guten befreit wird. Die Parallele zur Hindu-Lehre des Karma ist offensichtlich.
Diese Befreiung der Seele wird als Aufstieg zur Ogdoade beschrieben, jener Sphäre, die mit dem Zodiak und den Fixsternen assoziiert wird und die im gnostischen Mythos die untere Seite des Schleiers oder der Grenze darstellt, die den Kosmos vom Pleroma trennt. Wir lesen im Traktat I des Corpus Hermeticum:
“Zuerst wird in der Auflösung des physischen Leibes die Gestalt, die du hast, unsichtbar, und du überlässt dem Daimon deine nun wirkungslose Natur. Die Sinnesfähigkeiten des Leibes ihrerseits kehren zu ihren jeweiligen Quellen bei den Elementen zurück. Der Zorn und das Verlangen (der irrationale Teil der Seele) ziehen sich in die irrationale Natur zurück.
Und danach dringt der Mensch aufwärts, durch die Harmonie der Sphären:
Dem ersten Gürtel überlässt er die Fähigkeit zu wachsen und abzunehmen (Mond).
dem zweiten die listigen Anschläge, unwirksame Täuschung (Merkur).
dem dritten den bereits wirkungslosen Trug der Begierde (Venus).
dem vierten den Dünkel der Herrschaft, der Fähigkeit zur Erreichung seines Strebens beraubt (Sonne).
dem fünften die widergöttliche Dreistigkeit und die Raschheit zu unüberlegter Tat (Mars)
dem sechsten den schäbigen, nun nutzlosen Trieb nach Besitz (Jupiter),
dem siebten Gürtel schließlich die Lüge, die Fallen stellt (Saturn).
Dann tritt er, der Kräfte der Harmonie entkleidet, in die Natur der Achtheit, nunmehr in seiner eigenen Kraft.
Und gemeinsam mit allen, die schon dort sind, lobpreist er den Vater, und alle freuen sich über seine Ankunft. Er hört dann, seinen Gefährten gleich geworden, gewisse Mächte oberhalb der achten Sphäre, die Gott mit süßer Stimme lobsingen." (CH I, 2,24-26)
Dieser Gedanke kommt bereits in Platons Timaios zum Ausdruck: Wer die rechte Zeitspanne gelebt hat, wird zum Sitz des Sterns zurückkehren, dem er zugetan ist, und ein glückliches Leben führen, das dem des Sterns gleicht.
Die Offenbarung des Johannes
Die gnostische Vision der sieben Archonten und der zodiakalen Sphäre als der Ort, zu dem die befreite Seele Zugang erhält - oder zumindest als Spiegelbild und Schwelle zum Pleroma - kommt auch in der Apokalypse des Heiligen Johannes deutlich zum Ausdruck.
Johannes hat eine Vision von einer "Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt." Sie ist im Begriff zu gebären, und wird bedroht von einem "Drachen, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern", der das Kind verschlingen will, sobald es geboren ist.
Altargemälde, Meister Bertram, (Deutschland), XIV Jahrh.
Dieser Sohn wird zu Gott entrückt, und die Frau wird vor dem Drachen gerettet und von Gott an einem Ort in der Wüste genährt. (Offb 12, 1-6).
Die Frau ist ein Abbild der Pistis Sophia, die den göttlichen Sohn oder geistigen Urmenschen gebiert, während der siebenköpfige Drache offensichtlich die Gewalten des Demiurgen, die sieben planetarischen Archonten darstellt. In der gnostischen und hermetischen Literatur wird der Demiurg oft als ein aus Feuer geschaffenes Wesen charakterisiert. Das Haupt der Frau, die höchste und erhabenste Stelle in dieser Figur, ist mit den zwölf Sternen des Tierkreises geschmückt, während ihre Füße auf der Mondsphäre ruhen, die unsere irdische, vergängliche Welt umhüllt. "Der Mond beschreibt seine Umlaufbahn zwischen dem Sterblichen und dem Unsterblichen", lesen wir im Corpus Hermeticum. (CH XI, 2,7).
Am Ende der Apokalypse beschreibt Johannes einen neuen Himmel und eine neue Erde und sieht "das neue Jerusalem von Gott her aus dem Himmel herabkommen, bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat." Dort wird Gott selbst bei den Menschen wohnen, und "der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal" (Offb 21,1-4). Wieder begegnet uns hier ein weibliches Bild der himmlischen Wohnstätte. Die Begegnung von Bräutigam und Braut und ihre Vereinigung im Brautgemach - ein in gnostischen Texten immer wiederkehrendes Bild - erinnert an das Motiv der heiligen oder alchemistischen Hochzeit. Im Mythos des Helden und des Drachens wird die erlöste Seele oft mit dem Helden vereinigt.
Aus der Apokalypse von St. Sever, XI Jahrh.
In der Offenbarung des Johannes wird das himmlische Jerusalem klar in einem zodiakalen Code beschrieben:
"Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben, die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels..... Die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes.
Und der Engel, der zu mir sprach, hatte einen goldenen Meßstab ... Die Stadt war viereckig angelegt.... Er maß die Stadt mit dem Meßstab; ihre Länge, Breite und Höhe sind gleich: zwölftausend Stadien. Und er maß ihre Mauer: sie ist einhundertvierundvierzig Ellen hoch nach Menschenmaß, das der Engel benutzt hatte".(Ap 21, 12-19)
Dieses " Menschenmaß " spielt auf den Namen Adam an, da die drei Buchstaben dieses Namens die Zahlenwerte 1 (Aleph), 4 (Daleth) und 40 (Mem) haben.
Diese Ziffern bilden kabbalistisch die Zahl 144, was wiederum das Quadrat von zwölf ist (12 x 12). So informiert uns die Offenbarung in verschlüsselter Form über die göttliche Stadt als zodiakale Struktur und über die Identität des geistigen archetypischen Menschen - und des zu seiner göttlichen Natur wiederhergestellten Menschen - mit diesem Zwölfermaß.
Dies spiegelt eine Begrifflichkeit wider, die ähnlich in der vedischen Literatur zu finden ist, und zwar ganz besonders im Bŗhat-Pārāsara-Horā-Śastra, wo die einleitenden Verse des vierten Kapitels lauten:
"... Der Unsichtbare, Śri Vişņu, ist die Zeit in Person. Seine Gliedmaßen sind, mit Widder beginnend die zwölf Rāśi (Tierkreiszeichen) (2) ... (Die Zeichen sind) der Reihe nach: Widder ... Fische (3)
Die Gliedmaßen des kosmischen Zeitmenschen sind (in Zuordnung zu den 12 Zeichen) der Reihe nach: Kopf, Gesicht, Arme, Herz, Bauch, Hüfte, Bereich unter dem Nabel, Fortpflanzungs- und Ausscheidungsorgane, Oberschenkel, Knie, Unterschenkel und Füße.(4)"
Zodiakmensch, Deutschland, XV Jahrh.
Die Zuordnung von Tierkreiszeichen zu Körperteilen ist uns auch aus der westlichen Astrologie bekannt (s.Abb.). Interessant ist die Personifizierung des höchsten Gottes Vişņu im Tierkreis, der gleichzeitig als kosmischer Mensch dargestellt wird. Wir haben es mit dem Menschen als Gottes Ebenbild zu tun. Dieses kosmische Wesen wird auch als Kāla-Puruşa, als "Zeitmensch" bezeichnet. Dabei handelt es sich selbstverständlich nicht um den irdischen Menschen, sondern um sein göttliches, kosmisches Gegenstück, vergleichbar mit dem Adam Kadmon der hebräischen Kabbalah.
In einem Bild aus dem "Museum Hermeticum Reformatum et Amplificatum" (1678) ist die geschilderte hermetisch-gnostische Anschauung allegorisch dargestellt. Mann und Frau - gleichzeitig verknüpft mit Sonnne und Mond - sind gekettet an die Kräfte der 5 Planeten, die in die weltliche Seite des Bildes ragen, während der Tierkreis im oberen, schon jenseitigen Bereich des Bildes angesiedelt ist, direkt unterhalb der Engelscharen und der Trinität.
Aus dem Museum Hermeticum Reformatum et Amplificatum, 1678 (koloriert)
Der Traum des Scipio und das kosmische Kreuz
Im sechsten Buch seines Werkes "Über die Republik" erzählt Cicero vom Traum des Scipio. In diesem Traum blickt Scipio Emilianus aus einer von den Sternen erleuchteten Sphäre herab auf Karthago. Dort trifft er seinen Großvater, Scipio Africanus, den Helden des Zweiten Punischen Krieges, und seinen Vater, der ihm (in den Worten des Macrobius) prophezeit:
"Scipio, ahme deinen Großvater hier nach; ahme mich, deinen Vater, nach, liebe Gerechtigkeit und Pflicht.... Ein solches Leben ist der Weg zum Himmel, zu jener Wiedervereinigung mit jenen, die ihr irdisches Leben vollendet haben und vom Körper befreit wurden und dort an dem Ort leben (es war ein in strahlendem Glanz aus den flammenden Sternen hervorleuchtender Ring, wie Macrobius erklärt), den ihr nach griechischem Vorbild Milchstraße nennt."
Anschließend hat Scipio Emilianus eine Vision der neun himmlischen Sphären, von der irdischen Sphäre bis zur Sphäre der Fixsterne, und er hört die himmlische Musik, die durch die harmonische Bewegung der Sterne entsteht.
Comentum Macrobii Ambrosii in somnium Scipionis - Manuscript von 1469
Dieser Text wurde in den folgenden Jahrhunderten und in der Renaissance dank des Kommentars von Macrobius (5. Jahrhundert) sehr bekannt, der den Traum des Scipio als Rahmen für die Erklärung der platonischen Kosmologie verwendete. Er äußert sich folgendermaßen über die Milchstraße:
"Die Milchstraße umgibt den Zodiakus mit einer Kreisbahn, die in schrägem Winkel auf ihn trifft. Durch diese beiden Tore, so glaubt man, gelangen die Seelen vom Himmel auf die Erde und von ihr wieder in den Himmel zurück." (Macrobius, 12,1-2)
Diese Interpretation von Macrobius verweist auf den "Mythos von Er", den Platon in seinem Werk Über die Republik erzählt, wo die Himmelstore zu einer "Lichtsäule" - der Milchstraße - führen und die Harmonie der Sirenen auf die Bewegung der Planeten entlang des Tierkreisbandes hindeutet.
George Latura hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese "Tore", durch die die Seele in die Milchstraße eintritt, den Schnittpunkt zweier Großkreise darstellen, die den Buchstaben X (Chi) bilden, den Platon im Timaios erwähnt. Diese beiden Kreise nennt Platon "des Gleichen" und "des Anderen" oder "des Verschiedenen". Aus seiner eigenen Erklärung geht hervor, dass sich letzterer auf die Ebene bezieht, in der sich die Planeten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegen. Was den Kreis des Gleichen betrifft, der die Sphäre der Fixsterne mit gleichmäßiger Bewegung beschreibt, so interpretieren viele moderne Autoren Platon so, dass er sich auf den Äquator bezieht, da die tägliche Drehung der Fixsterne parallel zu ihm verläuft. Klassische und neuplatonische Autoren haben dieses X-Kreuz jedoch als Schnittpunkt zwischen dem Tierkreis und der Milchstraße verstanden - darunter auch Macrobius. Das obige Zitat geht in diesem Sinn weiter:
"Das ist es, was Homer in seiner göttlichen Weisheit bei der Beschreibung der Grotte in Ithaka zu verstehen gibt...."
Homer beschreibt in der Odyssee eine Grotte auf Ithaka, welche zwei Eingänge hatte. Durch die eine, dem Boreas (Nordwind) zugewandte, hätten die Menschen Zugang, durch die andere, dem Notus (Südwind) zugewandte, die Götter.
"...Und deswegen glaubt Pythagoras, dass unterhalb der Milchstraße das Reich des Dis [Hades] beginne, weil Seelen, die von ihr herabsinken, den Bereich des Göttlichen hinter sich gelassen hätten." (Macrobius, 12,3)
Wir erkennen in dieser Anschauung eine interessante Unterscheidung innerhalb der achten Sphäre. Auf der einen Seite der Tierkreis, entlang dessen die Planeten kreisen. Die "Harmonie der Planetensphären" bildet nach hermetischen und gnostischen Lehren die zeitliche Ordnung und die Verwaltung des Schicksals, die Heimarmene, denen die Seelen in dieser Welt unterworfen sind.
Wir haben gesehen, dass der Tierkreis selbst eine Schwelle zum Jenseits darstellt, zu einer höheren, göttlichen Ebene der Existenz. In Macrobius' Schema scheint der Tierkreis das archetypische Muster zu beschreiben, an dem sich die Zyklen des Werdens orientieren.
Die Schwelle, die Tore zu dem Ort, an dem befreite Seelen leben - befreit von Heimarmene und Karma - befinden sich in den ersten Graden von Schütze und Zwillinge, in dem Bereich, wo die Milchstraße die Ekliptik kreuzt.
Nach einer Überlieferung wahrscheinlich persischen Ursprungs, finden wir im Anfangsbereich der Zeichen Zwillinge und Schütze - genauer gesagt auf 3° Schütze/Zwillinge - die Erhöhungsgrade der Mondknoten. Die Knoten sind der Schnittpunkt zwischen der Mondbahn und der Ekliptik, der von der Sonne beschriebenen Himmelsbahn.
Bild: Rafael Gil Brand
Es handelt sich also um den Treffpunkt zwischen zwei verschiedenen Systemebenen: dem Erde-Mond-System und dem Sonnensystem. Ihre Erhöhung befindet sich, in perfekter Analogie, am Schnittpunkt zwischen der Ebene des Planetensystems und der Milchstraße, d.h. dem galaktischen System. Nach der modernen Definition des galaktischen Äquators, und der Definition des siderischen Tierkreises, die ich zugrundelege, liegen diese Schnittpuntke auf 7°29' Schütze/Zwillinge.
Bild: Rafael Gil Brand
Der Südknoten ist traditionell erhöht auf 3° Schütze, und viele Darstellungen aus islamischer Zeit, teilweise noch aus der europäischen Renaissance, zeigen den Kentauren (Schütze), der seinen Pfeil auf den schlangenförmigen Drachen zielt, der den Pferdeschwanz bildet, und der oft als Knoten ausgebildet ist.
Es ist offensichtlich, dass in diesen Bildern die Erhöhung des Drachenschwanzes dargestellt wird, desselben Drachens, der - man erinnere sich an die Offenbarung des Johannes - die Seele in seiner Gewalt hat, so wie er Sonne und Mond während der Finsternisse "verschlingt". Sobald der Drache besiegt ist, rettet der Held die Seele, die dadurch befreit wird und Zugang zum Pleroma, oder dem Weg der Götter, wie die Chaldäer die Milchstraße nannten, erhalten kann.
In Macrobius Darstellung, so könnte man interpretieren, ist der Tierkreis der "Weg der Menschen". Auf dieser Ebene bewegen sich die sieben Archonten, und diesen Weg betritt die Seele, die, noch gefangen in karmischer Verstrickung, den Weg der Widergeburten geht. Gleichzeitig gehören die 12 Sternbilder des Zodiaks derselben Sphäre der Fixsterne an, wie die Milchstraße.
Die Sterne als überkosmische Mächte, die höher stehen als die Schicksalsmächte der Planeten, sind ein weit verbreitetes, wenn nicht gar universelles Motiv. Ein Beispiel ist die Identifizierung der sieben Sterne des Großen Wagens mit den sieben Ŗśis oder Sehern, die die heiligen vedischen Texte inspirierten. In der hinduistischen Mythologie sind diese sieben Ŗśis keine menschlichen Wesen im irdischen Sinne, sondern menschliche Seelen, die sozusagen auf einer olympischen Ebene agieren und mit den Göttern des hinduistischen Pantheons auf Augenhöhe sind. In den Plejaden wurden übrigens ihre sieben Gattinnen, die dem Mythos zufolge Skanda, den Sohn Śivas, säugten, an den Himmel gesetzt. Während die sieben Ŗśis um die Weltenachse (Polarstern) kreisen, neigen sich die Plejaden der Ekliptik zu, und es ist wohl kein Zufall, dass wir in ihrer Nähe die Erhöhung des Mondes - der Mutter oder Amme schlechthin - auf 3° Stier finden. Es wurde eine chaldäische Tafel gefunden, die die Erhöhung des Mondes genau mit dieser besonderen Konstellation identifiziert (Ernst Weidner).
Ernst Weidner: VAT 7851, Vorderseite (Berlin)
Die achte Sphäre und der siderische Zodiak
In der klassischen Astronomie und Astrologie ist die achte Sphäre - der Begriff, von dem die hermetische Ogdoade abgeleitet ist - die Bezeichnung für das Fixsterngewölbe. Wie wir gesehen haben, brachten gnostische, hermetische und platonische Mythen und Weltanschauungen diese achte Sphäre direkt mit dem Tierkreis und der Zwölfteilung in Verbindung. Die Erkenntnis einer Verschiebung der Tagundnachtgleichen und der Sonnenwenden in Bezug auf die Fixsterne führte zur Annahme einer neunten, ansonsten unsichtbaren Sphäre, in der schließlich, vor allem in der mittelalterlichen europäischen Astrologie, die zwölf tropischen Zeichen angesiedelt wurden, da diese aufgrund der Präzession der Äquinoktien in Bezug auf die Sternbilder, die ihnen ihre Namen geben, verschoben sind.
Der Tierkreis wurde jedoch ursprünglich siderisch konzipiert, als ein Kreis, der den Sternenraum kodiert, die galaktische Ebene, in der der Organismus, den wir Sonnensystem nennen, geboren wurde und sich entwickelte. Das Sternengewölbe oder die Galaxie - nach dem griechischen Mythos die Milch aus der Brust der Göttin Hera - wurde in vielen Kulturen als weibliche Figur, als Große Mutter vorgestellt: die ägyptische Göttin Nut, die hinduistische Aditi, Mutter der zwölf Adityas oder Sonnengötter, sogar die Jungfrau Maria, Mutter von Christus dem Erlöser - eine Sonnenfigur - mit ihrem blauen Mantel, der mit Sternen übersät ist. Die Pistis Sophia der Gnostiker spiegelt diese Symbolik wider.
Wie ich vor einigen Jahren in meinem Vortrag und Webinar "Der siderische Tierkreis in der arabischen Astrologie" erläutert habe, wurde der siderische Tierkreis im Verlauf der hellenistischen Astrologie und sogar in der arabischen Astrologie frühestens bis zum fünfzehnten Jahrhundert weiterhin für astrologische Zwecke verwendet. Als sehr anschauliches Beispiel möchte ich hier nur Abraham Ibn Esra anführen, einen der bedeutendsten Astrologen und Gelehrten des Mittelalters.
In seinem "Buch über die Urteile der Sterne" stellt er den Tierkreis mit folgenden Worten vor:
„Die Alten ... teilten die Sphäre in 12 Teile und nannten jeden Teil ein "Zeichen". Sie teilten jedem Teil 30 Grad zu, und jedes Zeichen wurde nach der dort zu sehenden Figur benannt.
Dies sind die Namen der Zeichen: Widder, Stier ... Fische."
"Diese Zeichen befinden sich in der achten Sphäre mit den anderen südlichen und nördlichen Figuren."
Diese Definition des Tierkreises ist eindeutig siderisch, da Ibn Esra das Zeichen direkt mit der Figur, d. h. der Sternenkonstellation, nach der es benannt ist, in Verbindung bringt und deutlich macht, dass sich die Zeichen zusammen mit den anderen Fixsternen in der achten Sphäre befinden. Ibn Esra war sich der Präzession der Tagundnachtgleichen und der Unterscheidung zwischen dem tropischen und dem siderischen Tierkreis sehr wohl bewusst. In seinem "Buch der Grundlagen der astronomischen Tafeln" erklärt er den Unterschied:
"Man muss wissen, dass die Teilung des Kreises des Firmaments durch 12 nach zwei Meinungen erfolgt, die eine nach der Vernunft, die andere nach dem Sehsinn; die nach der Vernunft ist die Meinung des Ptolemäus, und die nach dem Sehsinn ist die der Alten und der Hindus, und jede von ihnen ist wahr und auf jeden Fall notwendig für die ganze Kunst." (S. 84)
Die tropische Einteilung nennt er "nach dem Verstand", weil Abstraktion und Berechnung notwendig sind, um die Tagundnachtgleichen und damit den Ausgangspunkt dieser Einteilung zu finden. Der siderische Tierkreis ist eine Einteilung "nach dem Sehsinn", denn wir können die Position der Sterne sehen und so die Tierkreiszeichen lokalisieren.
In dem oben zitierten Werk erklärt Araham Ibn Esra weiter, wozu wir den tropischen Tierkreis brauchen, und seine Liste enthält eine Reihe astronomischer Konzepte, die in der Tat von diesem Koordinatensystem abhängen, wie z. B. die Deklination, die Meridianhöhe, die Länge der Tages- und Nachtstunden, der Aufgang und die Kulmination der Sterne und so weiter.
Direkt im Anschluss lehrt uns Abraham Ibn Erzra den Gebrauch des siderischen Tierkreises:
"Die zweite Meinung der Hindus, die den Kreis des Firmaments nach dem Sehsinn durch zwölf teilt, ist notwendig, um die Domizile der Planeten und ihre Erhöhungen und die Gegenteile der Domizile und Erhöhungen zu kennen, und die Zeichen der Triplizitäten, und die Grenzen und die Gesichter und die männlichen und weiblichen Zeichen, und die männlichen und weiblichen und dunklen und hellen Grade.... usw.“ (S. 85)
Dem Zeugnis dieses großen mittelalterlichen Meisters aus Tudela habe ich nichts hinzuzufügen.
Die achte Sphäre und das heliozentrische System
Im geozentrischen System des Hellenismus und des Mittelalters wurde die Erde als Mittelpunkt der Welt betrachtet, während die achte Sphäre die Grenze des wahrnehmbaren Universums bildete, die, wie wir gesehen haben, in den gnostischen Systemen mit dem Schleier assoziiert wurde, der den Kosmos vom Pleroma trennt, und der - nicht nur räumlich - zu einer höheren Ordnung gehört als die Planetensphären.
Ausgehend von der ptolemäischen Astronomie, die bis zum 16. Jahrhundert das vorherrschende Paradigma war, wurde es notwendig, eine neunte Sphäre zu postulieren, um die Präzession der Tagundnachtgleichen zu erklären. Diese neunte Sphäre, oder Primum mobile, wurde als Trägerin der tropischen Teilung der Ekliptik angesehen, losgelöst von den Sternbildern, die den Zeichen ihren Namen geben. In einem geozentrischen Weltbild entsprach eine solche Lage des tropischen Tierkreises der gnostischen und hermetischen Eingebung, und man könnte sogar argumentieren, dass sie diesem grenzziehenden Äon besser entsprach als die achte Sphäre, da sie jenseits von ihr lag und rein ideeller Natur war.
Die kopernikanische Revolution machte dieses Schema jedoch zunichte und trug wahrscheinlich zu der Krise bei, in die die Astrologie ein Jahrhundert später geraten sollte.
In einem heliozentrischen System ist der tropische Tierkreis als ein Kreis der Erde zu verstehen - als Kreis von "Häusern der Erde", wie Alfred Witte, Begründer der Hamburger Schule, vorschlug, den Tierkreis zu nennen. Da sich die Erde um die Sonne bewegt, ist es unmöglich, den Schnittpunkt zwischen dem Himmelsäquator und der Ekliptik auf einer neunten Sphäre zu lokalisieren oder sich auch nur dort vorzustellen. Die Bewegung dieser Sphäre im ptolemäischen System erklärte die Umdrehung des Himmels in 24 Stunden, von der wir heute wissen, dass sie von der Erde selbst verursacht wird.
Doch was ist nun mit der achten Sphäre? Da sie den quasi grenzenlosen galaktischen Raum repräsentiert, der das Sonnensystem umgibt, beansprucht sie zu Recht ihren Platz jenseits der Planetenbahnen, jenseits des Sonnensystems, der gnostischen Hebdomade. Darüber hinaus rechtfertigt die moderne Astronomie geradezu die Zugehörigkeit der Ogdoade zu einer höheren Existenzebene, die über die organische Einheit, die das Sonnensystem bildet, hinausgeht. Und die Tore, von denen die Neuplatoniker sprachen - und die entsprechende Lage der Erhöhung des Drachen am Anfang von Schütze und Zwillinge, die nur im siderischen Tierkreis Sinn macht - diese Tore, durch welche die Seelen eine höhere Ebene betreten, die durch die systemische Ebene der Galaxie repräsentiert wird, machen im heliozentrischen System vollen Sinn, da die Milchstraße nichts anderes ist als die mittlere Ebene der Galaxie, der galaktischen Matrix, aus der das Sonnensystem geboren ist.
Aus einer systemischen Betrachtung des Kosmos können wir vier Seinsebenen unterscheiden, die in den alten Kosmologien im Grunde schon vorweggenommen sind:
Die Erde - Die Ebene der Elemente
Das System Erde-Mond - die sublunare Welt
Das Sonnensystem - die Sphären der Planetenbahnen
Die Galaxie - die Achte Sphäre
Ich möchte mit einer kabbalistischen Analogie schließen: Auf dem Baum des Lebens, dem Baum der zehn Sephiroth oder Ebenen der Existenz, entsprechen die vier Sephiroth der zentralen Säule - Malkuth, Yesod, Tifereth und Kether - genau den vier systemischen Zentren der modernen Astronomie:
Malkuth - das Reich - entspricht der Erde.
Yesod - das Fundament - entspricht dem Mond, der mit der Erde zusammen eine zweite systemische Ebene bildet.
Tifereth - die Herrlichkeit - entspricht der Sonne, Zentrum des Sonnensystems.
Kether - die Krone und höchste Sefirah - entspricht konsequenterweise dem galaktischen Zentrum (die traditionelle Zuordnung zu Kether ist das Primum mobile).
In der Ordnung der Sephiroth folgt unmittelbar auf Kether die Sephirah Hokmah, die Weisheit, die in einigen gnostischen Texten "Ahamoth" (= Hokmah) genannt wird. Den Kabbalisten zufolge ist die kosmische Ebene, die mit Hokmah assoziiert wird, keine andere als der in der achten Sphäre befindliche, siderische Tierkreis.
In den Worten des Kabbalisten William Gray:
"Hokmah ist gleichzusetzen mit der griechischen Sophia, dem Geist der Weisheit... von oben den Baum herabsteigend, ist Weisheit der erste Schritt, den Gott unternimmt, aber in unserem Aufstieg ist es die letzte Qualität, die wir erlangen....
Symbolisiert durch den Zodiak, zeigt sich Weisheit (Hokmah) als ein vollständiges Umfassen aller Dinge."
Damit schließt sich der Kreis, und wir kehren zurück zur gnostischen Sophia, Mutter des Kosmos und allen Lebens.
Literatur:
Textos Herméticos (Hermetische Texte) - Einführung, Übersetzung und Anmerkungen von Xavier Renau Nebot; Ed. Gredos, Madird 1999.
Textos gnósticos - Biblioteca de Nag Hammadi (Gnostische Texte - Nag-Hamadi-Bibliothek), Band I-III - Herausgegeben von Antonio Piñero, José Montserrat Torrents und Francisco García Bazán; Ed. Trotta, Madrid 2000.
Neue Jerusalemer Bibel - Einheitsübersetzung; Verlag Herder, Freiburg in Breisgau 1985.
Abraham Ibn Ezra - El libro de los fundamentos de las Tablas astronómicas (Das Buch der Grundlagen der astronomischen Tafeln); kritische Ausgabe von José Ma. Millás Vallicrosa; CSIC, Madrid-Barcelona 1947.
Abraham Ben Ezra - Libro de los Juicios de las Estrellas, Libro I (Das Buch der Urteile der Sterne, Buch I); Ed. Biblioteca de Sirventa 2000.
David Brakke - Los gnósticos - mito, ritual y diversidad en el cristianismo primitivo (Die Gnostiker - Mythos, Ritual und Vielfalt im Urchristentum); Ed. Sígueme, Salamanca 2022.
Franz Cumont - Astrología y religión en el mundo grecorromano (Astrologie und Religion in der griechisch-römischen Welt); Edicomunicación S.A., Barcelona 1989.
Rafael Gil Brand - Himmlische Matrix; Ed. Chiron, Tübingen 2014.
William G.Gray - The Ladder of Lights (Die Leiter der Leuchten); Ed. Samuel Weiser, Inc., York Beach / Maine 1968.
Homero - Odisea (Oyssee); Hrg. Antonio López Eire, Übersetzung von Luis Segalá Estalella; Espasa Calpe, Madrid 1995.
Hans Jonas - Gnosis - die Botschaft des fremden Gottes; Verlag der Weltreligionen, Leipzig 2008.
George Latura Beke - Visible Gates in the Pagan Skies (Sichtbare Tore im heidnischem Himmel); George Latura 2009.
Macrobius Ambrosius Theodosius - Kommentar zum "Somnium Scipionis" (Latein-Deutsch), Hrg. Friedrich Heberlein; Bibliothek der lateinischen Literatur der Spätantike, Stuttgart 2019.
Platon - Gesammelte Werke VIII: Philebos, Timaios, Kritias (griechisch-deutsch); Ed. Insel, Leipzig 1991.
Plotino - Enéadas I-II, III-IV, V-VI (Enneaden I-VI, in drei Büchern); Übersetzung und Anmerkungen von Jesús Igal; Ed. Gredos, Madrid 1992, 1985, 1998.
Ernst Weidner - Gestirn-Darstellungen auf babylonischen Tontafeln; Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1967.