Rezension: Lehrbuch der klassischen Astrologie

von Erik van Sloten

Obwohl in den letzten Jahren das Interesse für die astrologische Tradition gewachsen ist (was zum Beispiel im DAV zur Gründung einer Sektion Klassische und Stundenastrologie geführt hat), kennen sich im deutschsprachigen Raum die meisten Astrologen mit der klassischen Astrologie viel weniger aus als im angelsächsischen oder im Mittelmeerraum. In Ländern wie Amerika, England, Italien, Spanien ist das Interesse an der astrologischen Vergangenheit tief, das Wissen profund und es erscheint auf dem Büchermarkt und in den Zeitschriften regelmäßig gute Literatur zu diesem Thema. Es ist dann auch kein Zufall, dass der Autor des neu erschienen Werkes Lehrbuch der klassischen Astrologie, Rafael Gil Brand, mit einem Bein in Spanien steht und in diesem Land astrologisch ausgebildet wurde.

Der Baum der Astrologie ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Mittlerweile gibt es weltweit so viele Schulen und Richtungen, dass der einzelne Astrologe nicht mehr in der Lage ist, das Ganze zu überblicken. Einerseits ist diese Vielfalt erfreulich, andererseits stellt sie auch eine Gefahr dar, weil der Kontakt mit der traditionellen Astrologie, dem Stamm, aus dem alle diese Zweige gewachsen sind, verlorenzugehen droht. Damit der Baum gesund bleibt, sollen Stamm und Boden gepflegt werden! In dieser Hinsicht schließt das neue Lehrbuch der klassischen Astrologie eine große Lücke in der deutschsprachigen astrologischen Literatur. Mit diesem Buch wird den deutschen Astrologen endlich die Möglichkeit geboten, sich umfassend über das riesige Gebiet der antiken und mittelalterlichen Astrologie zu informieren. Gil Brands Werk hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass im 20.Jahrhundert viel Wertvolles aus der klassischen Astrologie zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Welcher moderne, psychologisch orientierte Astrologe kennt sich noch aus mit Begriffen wie den „Grenzen”, den „Gesichtern”, den „Freuden” der Planeten? Welcher Astrologe bezieht heute noch Fixsterne oder Stundenherrscher in seine Horoskopdeutungen ein? Wer arbeitet in seiner Aspektdeutung noch mit „linken und rechten Aspekten”, mit „Lichtübertragung” und „Belagerung”? Es handlet sich hier aber um Techniken, die nach meiner Auffassung wenigstens teilweise noch immer ihren Wert haben und die moderne Horoskopdeutung wieder bereichern könnten.

Gil Brand beherrscht nicht nur vollkommen die umfassende und komplexe Materie, es ist ihm auch gelungen, die klassische Astrologie in seinem Buch übersichtlich und verständlich zu präsentieren. Im ersten Teil gibt er dem Leser u.a. ein faszinierendes Bild des geistigen Umfeldes, in dem die Astrologie entstehen und sich entwickeln konnte; im zweiten Teil stellt er eindrucksvoll das Lehrgebäude der klassischen Astrologie dar und macht den Leser bekannt mit Techniken und Denkweisen der antiken und mittelalterlichen Astrologie. Den dritten Teil widmet Gil Brand der klassischen Deutung von Geburtshoroskopen und erklärt dem Leser u.a. die beiden traditionellen Methoden der Geburtskorrektur: die mit dem Animodar oder Rektifikator (interessant!) und die bekanntere nach der Hermes-Waage. Zum Schluss deutet er nach klassischer Methode das Horoskop von Gerhard Schröder.

Nach einigen wertvollen Betrachtungen über die kollektive und archetypische Bedeutung der neuen Planeten schließt eine Fixsterntabelle, eine ausführliche Bibliographie und ein alphabetisches Register das Buch ab. In der Fixsterntabelle wurden für jeden Stern sehr informativ sowohl der Grad des MC, mit dem der Stern kulminiert als auch für verschiedene Breiten der AC-Grad aufgenommen, so dass jeder in der Lage ist, schnell festzustellen, welcher Fixstern in seinem Geburtshoroskop dominiert.

Schade finde ich nur, dass Gil Brand nicht auch die Stundenastrologie, welche die klassische Astrologie wesentlich geprägt hat, ein Kapitel gewidmet hat. Sein Buch wäre damit noch vollständiger gewesen.

Die astrologische Gemeinschaft ist Gil Brand zu großem Dank verpflichtet. Jeder seriöse Astrologe sollte dieses Werk lesen.

Erik van Slooten, Neubiberg

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